mutter eines monsters

14. Mai 1817 ― »Finis«, schreibt Mary Shelley in ihr Tagebuch: Der »Frankenstein«, zuerst nur als Story von wenigen Seiten gedacht, ist fertig. Percy verfasst ein Vorwort. Nun beginnt die Suche nach einem Verlag. ― Aber keiner will das Buch. Byrons und Shelleys Verleger winken ab … Ende August erhält Mary endlich von Lackington & Co. einen positiven Bescheid.

Anfang 1818 erscheint der Roman auf dem Markt: 500 Exemplare, etwa die Hälfte davon geht an Bibliotheken. Denn Bücher sind teuer … Viele Leser nutzen deshalb eine jährliche Lektüre-Flatrate. Und die Kritiken? ― Eine Katastrophe:

Unfug, an den Grenzen der Unmoral, hatte die Presse getextet. Oder: Hirngespinste, verfasst von Freigängern des Irrenhauses mit Anfällen von Genie … – Hätte nicht Sir Walter Scott lobende Worte gefunden, Mary würde wohl nie mehr zur Feder gegriffen haben …
aus: »Die Kinetik der Lügen«

 

Ein paar Jahre später erobert der Stoff die Bühne. Für das Theater braucht es keine Lizenz. Mary Shelley wird nicht einmal gefragt. ― Auf den Brettern aber kommt ihre Kreatur zu Ruhm, 1831 wird der Roman schließlich in die Reihe der »Standard Novels« aufgenommen.

Heute kennt jeder das Monster. Aber wer kennt seine Mutter? – Mary Shelley ist blutjung, neunzehn Jahre, als sie ihren Roman beendet: »Frankenstein« ― dieser Name entwickelt ein unheimliches Eigenleben und wird schließlich zur Metapher für die Monster des Industrie-Zeitalters.